Die Gemeinde Pähl steht dem noch weitgehend unerforschten 5G-Standard kritisch gegenüber und verzichtet vorerst auf einen Ausbau dieser Technologie, solange Risiken für Mensch, Tier und Umwelt nicht auf wissenschaftlicher Basis ausgeschlossen werden können und eine explizite Zustimmung seitens der Pähler Bevölkerung nicht gegeben ist. Der Gemeinderatsbeschluss vom 13. Februar 2020 zum aktuellen  5G-Vorhaben wird aufgehoben und dem Vertragswerk mit dem Mobilfunkbetreiber keine Zustimmung erteilt. Die Gemeinde verpflichtet sich, bei zukünftigen Planungen zum Mobilfunk das Gefährdungspotenzial ausführlich zu diskutieren und bei Bedarf unabhängigen fachlichen Rat einzuholen, ihre Überlegungen frühzeitig in breiter Öffentlichkeit zu präsentieren und geeignete Mittel der Bürgerbeteiligung einzurichten. Zugleich werden alternative technische Möglichkeiten der Datenübertragung, die ohne Strahlung auskommen, für das Gemeindegebiet geprüft. Ausdrücklich verweist die Gemeinde darauf, dass sie neuen Technologien offen gegenübersteht, wenn diese nicht in Konflikt geraten mit der Verantwortung der Gemeinde Pähl für ihre Menschen, ihre Natur und ihre einzigartige Landschaft.

BEGRÜNDUNG

Grundsatzentscheidungen angesichts der Unsicherheiten beim 5G-Standard und aus Verantwortung für Mensch und Natur wurden in der jüngeren Vergangenheit auch in anderen Gemeinden und Städten der Region getroffen, u.a. in Wielenbach, Murnau, Peißenberg, Hohenpeißenberg, Starnberg, Peiting, Rottach-Egern, Ohlstadt, Bad Kohlgrub und Bad Wiessee.

Die alte, vorerst weiterhin gültige Geschäftsordnung des Pähler Gemeinderates vom 8. Mai 2014 legt fest, dass "ein bereits zur Abstimmung gebrachter Beratungsgegenstand insbesondere dann erneut behandelt werden (kann), wenn neue Tatsachen oder neue gewichtige Gesichtspunkte vorliegen (…)" (§ 25 Abs. 7 Satz 2). Sieht man davon ab, dass diese Formulierung nicht kategorisch das Vorhandensein neuer Sachverhalte einfordert (es heißt: "insbesondere dann, wenn", nicht: "nur dann, wenn"), stützen wir unseren Antrag vor allem auf zwei gewichtige Gesichtspunkte, die eine neue Behandlung des Themas im Gemeinderat rechtfertigen, weil sie in der bisherigen gemeindlichen Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung gefunden haben, aus unserer Sicht aber bei der Realisierung eines solchen Vorhabens unverzichtbar sind:  

  1. die ausführliche, fachlich fundierte Abwägung des Risikos von 5G für Mensch und Natur
  2. die frühzeitige Aufklärung, Beteiligung und Zustimmung der Bevölkerung zum 5G-Projekt

Zu 1.)
Nach unserer Auffassung ist es der Bevölkerung kaum vermittelbar, dass die Gemeinde Pähl mit ihrer Entscheidung für den  5G-Ausbau einen Beschluss gefasst hat, der angesichts der potenziellen Gefahren für Mensch und Natur von erheblicher Tragweite ist, sich die Gemeinde gleichzeitig aber selbst die nötige Fachkompetenz und das erforderliche Urteilsvermögen abspricht, um dieser Thematik überhaupt gerecht werden zu können. Der Wortlaut der Gemeindeführung über die 5G-Entscheidung: "Letztlich ist der Gemeinderat aber kein Organ, das ausreichend Fachkenntnis besitzt, die eine autarke Beurteilung erlaubt." (Bürgermeister Werner Grünbauer in einem Brief an Ferdinand Hollweck, Pähl, ohne Datum, vermutlich Ende März oder Anfang April 2020) Unter diesen Voraussetzungen eine so weitreichende Entscheidung zu treffen, ist gegenüber den Pähler Bürgerinnen und Bürgern nur schwer zu rechtfertigen. Wenn eine Gemeinde zu der Erkenntnis gelangt, keine fundierte Einschätzung und Bewertung der Lage vornehmen zu können, weil sie "kein ausreichendes technisch-wissenschaftliches Knowhow hierzu" besitzt (Bürgermeister Werner Grünbauer in einem Brief an Prof. Dr. Lutz Castell, Pähl, ohne Datum, Ende April 2020), dann darf nach allgemeinem Verständnis auch kein Beschluss, der erhebliche Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung schaffen kann, erfolgen oder es müsste eine unabhängige wissenschaftliche Expertise herangezogen werden. Wenig Verständnis können wir überdies dem Vorgehen der Gemeinde entgegenbringen, Bürger wie bereits geschehen mit ihren Anfragen an den Mobilfunkbetreiber weiterzuverweisen. Ungeachtet des fehlenden "Knowhows" wurde der Entschluss für den 5G-Ausbau einzig und allein von der Gemeinde getroffen, so dass es ihr zufällt, sich ihrer Verantwortung zu stellen und der Bevölkerung Rede und Antwort zu stehen.

Aus unserer Sicht ist die Verantwortung, die die Gemeinde in dieser Sache trägt, auch insofern als besonders hoch einzustufen, als es sich beim 5G-Standard laut Bundesamt für Strahlenschutz um eine Technologie handelt, die "noch nicht so gut erforscht" ist (https://www.bfs.de/SharedDocs/Stellungnahmen/BfS/DE/2019/0320-5G.html) und bei der viele Fragen ungeklärt sind, "zum Beispiel in Bezug auf empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder die langfristigen Auswirkungen" (https://www.bfs.de/DE/mediathek/multimedia/video/emf/emf-mobilfunk-5g.html). Nach unserer Meinung gäbe es genug Gründe, sich unter diesen Bedingungen als Gemeinde an das Vorsorgeprinzip der deutschen und europäischen Umwelt- und Gesundheitspolitik zu halten (gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 20a des Grundgesetzes u.a.), das dazu auffordert, "bei unvollständigem oder unsicherem Wissen über Art, Ausmaß, Wahrscheinlichkeit sowie Kausalität von Umweltschäden und -gefahren vorbeugend zu handeln, um diese von vornherein zu vermeiden" (https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltrecht/umweltverfassungsrecht/ vorsorgeprinzip).

Dass Risiken bei 5G nicht einfach von der Hand zu weisen sind, zeigt ein aktuelles Papier des Europaparlaments vom Februar 2020, das unter dem Titel "Auswirkungen der drahtlosen 5G-Kommunikation auf die menschliche Gesundheit" den Forschungsstand zusammenfasst (https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/646172/EPRS_BRI(2020)646172_ DE.pdf). Das Papier benennt vielfache Indizien, die auf negative Auswirkungen durch die neue Technik hindeuten, wenn nicht gar wahrscheinlich machen. Mit unmissverständlichen Worten formuliert das EU-Statement: "Die aktuelle wissenschaftliche Literatur zeigt, dass dauerhaft einwirkende drahtlose Strahlung wahrscheinlich biologische Auswirkungen hat, was für die speziellen Merkmale von 5G in besonderer Weise zutrifft." (S. 10). Und an anderer Stelle noch deutlicher: "Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen würde - und dass bei 5G ein vorsichtiger Ansatz angebracht wäre, da es sich um eine nicht getestete Technologie handelt." (S. 10)

Das Gefährdungspotenzial, das von 5G ausgeht, beruht, dem EU-Papier nach zu urteilen, nicht zuletzt auf zwei Faktoren:

  1. Im Vergleich zu UMTS und LTE sendet 5G in höheren Frequenzbereichen, was die Übertragung größerer Datenmengen erlaubt, damit aber zu einer stärkeren Strahlenbelastung führt.
  2. Gleichzeitig sorgt die höhere Frequenz von 5G zu einer geringeren Reichweite des Signals, was im Gegensatz zu früheren Mobilfunkstandards eine weit größere Zahl an Sendern und Kleinsendern erforderlich macht, die die dauerhafte Strahlenbelastung ihrerseits erhöhen.

Zu 2.)
Wie der von anderer Seite eingereichte Bürgerantrag (nach Art. 18b der Bayerischen Gemeindeordnung) zum 5G-Ausbau in Pähl belegt, fehlt im bisherigen Entscheidungsprozess in eklatanter Weise das frühzeitige Informieren der Bevölkerung und das Schaffen von Akzeptanz durch eine angemessene Beteiligung der Bürger. Wir sind der Ansicht, dass eine Bürgerbeteiligung in dieser Sache unvermeidlich und alternativlos ist, und möchten dazu auf eine zentrale Feststellung des oben genannten EU-Dokuments verweisen. Nach diesem Papier ist es allgemein anerkannt, "dass im Vorfeld von Maßnahmen, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könnten, die Zustimmung nach Inkenntnissetzung ein wesentliches, grundlegendes Menschenrecht ist, das noch brisanter wird, wenn es um die Exposition von Kindern und Jugendlichen geht" (S. 10). Mit anderen Worten: Wenn bei geplanten Vorhaben eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann (sie muss nicht einmal nachgewiesen sein!), ist es nach allerhöchsten Verträgen und Vereinbarungen unerlässlich, die Betroffenen davon in Kenntnis zu setzen und ihre Zustimmung einzuholen, und dies umso mehr, wenn Kinder und Jugendliche davon betroffen sind. Wir schließen uns dieser Sichtweise an: Allein die Tatsache, dass eine Gefährdung von Bevölkerung und Umwelt im Bereich des Möglichen liegt, reicht aus, um auf eine umfassende Beteiligung der Bevölkerung und ihre Zustimmung nicht verzichten zu können und ihr das Recht zuzugestehen, ausführlich gehört zu werden. Schließlich muss man sich vor Augen führen, dass die Aufstellung eines 5G-Sendemastes nicht nur eine potenzielle Gesundheitsgefährdung darstellt, sondern unabhängig davon massive Auswirkungen auf die Wohn- und Lebensqualität der unmittelbaren Anwohner besitzen kann und einen erheblichen Eingriff in ihre persönlichen und eventuell sogar finanziellen Verhältnisse bedeutet.
 
Zusammenfassend fordern wir mit diesem Antrag:

  1. Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses zum 5G-Ausbau vom 13. Februar 2020, bei dem gewichtige Gesichtspunkte wie die fundierte Risikoabschätzung und die Zustimmung der Bevölkerung nicht berücksichtigt wurden.
  2. Ablehnung des Vertragswerkes mit dem Mobilfunkbetreiber, da der ungenügende Forschungsstand zu 5G, der selbst von Behördenseite zugestanden wird, noch immer zu wenig aussagekräftig und belastbar ist, um Gefährdungsrisiken auszuschließen; ferner ist ein Einverständnis der Bevölkerung zu diesem Projekt (noch) nicht gegeben.
  3. Beschluss der obigen Grundsatzerklärung, die das Recht der Pähler Bürgerinnen und Bürger achtet und stärkt, angesichts der potenziellen Gefährdung durch 5G umfassend informiert und an derartigen Vorhaben angemessen beteiligt zu sein.  

Nachtrag
Unsere Anfrage an die Gemeinde vom 20. Mai 2020, Einsicht in die Niederschriften der zurückliegenden nichtöffentlichen Sitzungen zu nehmen (nach § 30 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung), wurde leider bis zur Einreichung dieses Antrags nicht beantwortet. Sollte über das Vertragswerk mit dem Mobilfunkbetreiber bereits in nichtöffentlicher Sitzung entschieden worden sein, behalten wir uns eine Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses vor. Die Gemeinde selbst hat in ihrer Niederschrift zur Gemeinderatssitzung vom 13. Februar 2020 drei Schritte benannt, die der Errichtung eines Funkmastes vorausgehen: erstens das grundlegende Einverständnis der Gemeinde, zweitens der Abschluss des Vertragswerkes, drittens die Billigung des Bauantrags (S. 7). Da die Formulierung in der Niederschrift suggeriert, alle drei Schritte würden öffentlich abgehandelt und seien für die Bevölkerung nachvollziehbar, würde es für erhebliche Verwunderung unter den Bürgerinnen und Bürgern sorgen, wenn mit der Vertragszustimmung ein wichtiger Baustein des gesamten Prozesses der Öffentlichkeit vorenthalten bliebe. Darüber hinaus dürfte die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an dem genauen Wortlaut der Schutzklausel haben, die laut Niederschrift unter dem Aspekt der Gesundheitsgefährdung im Vertrag aufgenommen worden sein soll (S. 7). Die Pähler Bürgerinnen und Bürger haben, anders gesagt, ein Recht darauf zu erfahren, welche konkreten Vorkehrungen zu ihrem Gesundheitsschutz geplant sind. Aus Gründen der Transparenz und der Legitimation des ganzen Beratungs- und Entscheidungsprozesses führt für uns kein Weg daran vorbei, dass alle Schritte im Lichte der Öffentlichkeit vollzogen werden. Nur so ließe sich in unserer Gemeinde umsetzen, worum sich andere Kommunen, wie es das Weilheimer Tagblatt jüngst formuliert hat, bereits in vorbildlicher Weise bemühen: "mit dem Thema sensibel und umsichtig umzugehen" (Ausgabe Nr. 117 vom 22. Mai 2020, S. 12).